Dr. Kressensteins Ranking: Platz 12

In dem letzten Rankingartikel habe ich euch mein am wenigsten geliebtes, aber dennoch gemochtes Pokémon-Maingame präsentiert, Pokémon Schwarz und Weiß, und euch meine Meinung erklärt. Wie ich die einzelnen Spiele unterscheide und welches Game einen eigenen Platz bekommt und welche zusammengefasst werden, könnt ihr hier nocheinmal nachlesen. Heute möchte ich euch meinen persönlichen Platz 12 vorstellen. Dabei möchte ich noch einmal daran erinnern, dass es hier um eine persönliche Meinung geht. Auch wenn ich versuche, sie mit Fakten (und Bauchgefühl) darzulegen, hat jeder das Recht, diese Fakten anders zu gewichten und eine andere Meinung zu haben. Und nun los:
Platz 12: SMUSUM
Sonne/Mond und Ultrasonne/Ultramond
Mein persönlicher Platz 12 sind die Spiele Sonne und Mond sowie ihre Zusatzeditionen Ultrasonne und Ultramond. Um dies zu begründen, will ich zunächst einmal die Aspekte herausarbeiten, die mir besonders gut gefallen haben.
Das Positive...
Zunächst einmal das offensichtlichste einer jeden Generation, die neuen Pokémon. 88 neue Pokémon (davon 9 Legendäre, 5 Mysteriöse, 11 Ultrabestien), aufgeteilt in 54 Familien. Mit 30 Einzelpokémon und nur 24 Entwicklungsfamilien fällt der Anteil der Entwicklungen zwar ein bisschen knapp aus, jedoch wird dies durch einige interessante neue Mechaniken ausgeglichen.

So zum Beispiel Choreogel, welches durch seine Variabilität im Typ durchaus in einigen Teams eine Nische finden kann. Auch wenn es nur mit seinem variablen Typ eine einzige STAB Attacke beherrscht, so sind dennoch Design und Idee für diesen kleinen Vogel gut durchdacht. Andere Interessante Pokémon, die zu uns gebracht wurden, sind z.B. die Wasserfee Primarene, eine durchaus nützliche Typenkombination. Oder auch Wolwerock, eine quasi dreifach gespaltene Entwicklung, abhängig von Edition, Tageszeit und Besonderheit. Oder aber Meteno und Koalelu, die beide recht interessante Fähigkeiten haben.
Natürlich gibt es auch Designs, die einem nicht so gut gefallen, so finde ich persönlich Moruda, Knirfish oder Tortunator zum Beispiel nicht sonderlich gut gelungen. Aber in jeder Generation gibt es gute wie schlechte Designs, und meines Erachtens überwiegen hier die guten. Wem die neuen Designs jedoch nicht zusagen, findet in den über 300 (SM) bzw. über 400 (USUM) Pokémon bestimmt den ein oder anderen Liebling wieder.
Neben den 88 neuen Pokémon kommen dazu noch die neu eingeführten Regionalformen. Dieses Neuerung ist erst einmal ein Idee, welche ich durchaus sinnvoll erachte. Angepasstheit innerhalb ökologischer Nischen ist ein Grundpfeiler der Evolution und gibt der Pokémon-Reihe dadurch nicht nur etwas Realismus und Tiefgang. Es ist auch eine Möglichkeit, in Vergessenheit geratene Pokémon einen neuen, brauchbareren Anstrich zu verpassen. Zumal sich dieses Prinzip für künftige neue Regionen weiter durchsetzen kann und mit Galar-Formen auch durchgesetzt hat. Man kann jetzt darüber streiten, ob die Chance genutzt wurde, warum gerade diese Pokémon und nicht andere eine Regionalform erhalten haben. Viele Pokémon brauchen ein Update im immer wechselnden Metagame, und nicht jeder kann eins bekommen. Wäre ein Alola-Arkani besser gewesen als ein Alola-Ratikarl? Auf jeden Fall, egal wie. Etwas schlechteres als eine nicht ausbalancierte Normal/Unlicht Ratte hätte es nicht geben können. Das macht aber die Idee der Regionalform an sich nicht schlecht.
Ebenfalls positiv zu erwähnen ist, dass es keine VMs mehr gibt. Mich persönlich haben VMs immer gestört. Sie ergeben storytechnisch zwar Sinn, und wegen eventueller Soft-Locks war es auch notwendig, die Attacken nicht einfach so löschbar zu machen. Und ich sehe auch ein, dass zu starke VMs nach der zweiten Arena das Spiel sinnbefreien. Aber nicht desto trotz war es immer notwendig, auf einen Attackenslot zu verzichten oder gar einen VM-Sklaven mitzubringen. Und wehe, der konnte den grade benötigten VM in der Tiefe der Höhle nicht erlernen, dann hieß es den ganzen Weg zurück und wieder hin, nur um etwas auszutauschen. Und das bei Attacken, die größtenteils einfach nicht zu gebrauchen waren. SM und USUM haben gezeigt, dass es auch ohne VMs geht, was ich sehr begrüßt habe.
So lala...
Hier hören für mich die überaus positiven Aspekte aber leider auch schon auf. Den Z-Attacken bin ich relativ neutral gegenüber eingestellt. Es ist eine neue Mechanik, die die Kämpfe aufmischen soll, um sie etwas interessanter zu machen…. Das gab es schonmal mit der Mega-Entwicklung. Es ist ein nettes Gimmick mit den Z-Attacken und macht auch ab und an Spaß, wird bei den langen Animationen aber schnell überdrüssig.
Ähnliches gilt auch bei der Encounter-Rate. Auf der einen Seite ist es natürlich schön, nicht nach jedem zweiten Schritt in der Höhle ein Zubat ums Ohr geknallt zu bekommen. Wenn ich aber eine Minute im Kreis rumlaufe, bevor irgendetwas auftaucht, kann ich gar nicht alle Pokémon einer Route genießen, bevor ich da schon wieder raus bin. Und die Suche nach selteneren Pokémon wird erschwert. Für eben schnelle Durchquerungen ist es aber sehr angenehm.
Ich könnte hier noch auf viele weitere Aspekte eingehen, dies würde aber den Artikel in seiner Länge noch mehr sprengen, als es jetzt schon der Fall ist. Also auf zu den weniger gelungen Teilen, die letztlich für diese niedrige Platzierung gesorgt haben.
Leider nicht so gut gelungen
Zunächst möchte ich einmal vom generellen Gameplay ausgehen. Dieses ist in meinen Augen nicht nur zu einfach, sondern idiotensicher gemacht. Zum Beispiel die Effektivitätsanzeige. In manchen Kämpfen ist die zwar praktisch, um einen Missclick zu verhindern, aber war Pokémon nicht auch mal dafür da, auszuprobieren, was funktioniert, und die einzelnen Typen zu entdecken. Stattdessen erhalte ich dies vorgekaut. Genauso wird mir immer angezeigt, jetzt doch bitte den „A“-Knopf zu drücken, und statt einen auf Entdeckungstour gehen zu lassen, wird einem im Detail gesagt, was zu tun ist. Sogar auf der nicht ausblendbaren Karte wird einem alles im Vorraus angezeigt, damit man nicht plötzlich überrascht wird. Bei der Story rutscht man stattdessen von einer Videosequenz in die andere. Nett vielleicht für die Story, aber das ist dann kein Spiel mehr, sondern ein Film.

Kommt man dann einmal zum Spielen, so haben die Trainer oft nur ein Pokémon. Es ist keine Herausforderung mehr gegeben. In einer realistischeren und anspruchsvolleren Version erwarte ich von einem casual Trainer etwa drei Pokémon, von meinem Rivalen eine stetige Progression hin zum vollen Team und in wichtigen Kämpfen wie Arenaleiter, Inselkönige oder der Top4 ein (fast) volles Team.
Stattdessen weisen SM und USUM wie auch viele andere der neuen Main-Games einen sehr niedrigen Pokémon-pro-Trainer-Wert auf. So haben in SM und USUM die Trainer im Schnitt nur 1.8 Pokémon, der zweitniedrigste Wert von allen Spielen. Und schaut man sich einmal die Verteilung an, wird der Wert durch zwei Faktoren nach oben gezogen, durch die Top4 und die große Anzahl an möglichen Champ-Herausforderern. In LGPE dagegen ist der Wert vor allem wegen der Meistertrainer so niedrig, also wegen der ca. 145 Trainer, die alle nur ein einziges Pokémon haben. Dies macht SM und USUM zusammen mit ORAS zu den Spielen mit den niedrigsten Pokémon-pro-Trainer-Werten über die Storyline verteilt. Schnell sind die Kampf aber trotzdem nicht vorbei, da die Animationen und Kameraperspektiven zu lange sind. Es wirkt fast so, als ob man versucht hat, krampfhaft zu zeigen: Guck was wir alles mit der Graphik machen können! Und dabei wurde dann das Gameplay der tollen Graphik hintenangestellt.
Durch die neue Funktion des EP-Teilers, welche schon in Generation 6 eingeführt worden war, ist ein extra leveln eigentlich nicht nötig. Hat man aber im Endgame alle Trainer besiegt und versucht für den Kampfbaum nun neue Pokémon zu trainieren, ist dies jedoch nur sehr schwer möglich. In USUM wurde dies zum Glück mit wilden Chaneira kompensiert, wirklich angenehm ist Leveln aber immer noch nicht geworden.
Für mich persönlich ist aber der Versuch, die Arenen durch die Inselprüfung zu ersetzen, am meisten gescheitert. Es war mutig und auch frisch und gewagt, als diese Idee erstmals aufkam, waren die Arenen doch ein fester Bestandteil des Pokémon-Franchise. Daher dachte ich mir zunächst, dass es schwierig wird, etwas Vergleichbares zu finden, was die Story und dem Ziel, der Beste der Besten zu werden entspricht, war jedoch bereit, mich darauf einzulassen. Die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten. Die Rätsel waren so leicht, dass man sie nicht Rätsel nennen konnte, die Aufgaben bestanden aus unnötig in die länge gezogenen Laufwegen und die Kämpfe abseits der Herrscherpokémon waren keine Herausforderung. Lediglich das Herrscherpokémon war dann ansatzweise ernstzunehmen, wenn man nicht überlevelt war, was durch die Funktion des EP-Teilers jedoch relativ unwahrscheinlich wurde. Damit ist eines der Story-Main-Features, was gerade SM und USUM vom Rest abheben soll, eines der Features geworden, was die Spiele so weit unten ins Ranking bringt. Ein weiteres, wiederkehrendes Story-Main-Feature ist das Böse Team. Bis dato eine Institution und wichtiger Antagonist in den Spielen, fühlt es sich in SM und USUM so an, als würde man jedes Klischee über pubertierende Millennials zusammen in eine Gruppe packen: „Wir sind opportunistisch, wir hassen das System, wir sind Besonders“ plus „Wir klauen deine Pokémon“ und zack, wir haben Team Skull. Bei diesem Anblick war es fast schon erleichternd, dass mit einem Plot Twist der eigentliche Antagonist die Äther Foundation war. Und auch wenn es hier Leute gibt, die sagen, dass es gute und schlechte Elemente hier zu finden gibt, so finde ich, war dieser Fokuswechsel der Bösen absolut nötig. Warum aber nicht direkt so? Warum erst die Witzfiguren? Für mehr Storytiefe? Für mehr Spannungsbogen? Nette Idee, aber nicht gut umgesetzt.
Als letzten Punkt möchte ich noch zwei kleine Mechaniken herausarbeiten, die mich in SM und USUM gestört haben. Zum einen das Angeln. Ich werde nicht viel dazu sagen außer, dass ihr einmal in jeder Generation angeln solltet und dann in SM und USUM. Und dann lasse ich diese Erfahrung für mich sprechen. Zum anderen die Mega-Entwicklung. Es gab bei Generation 6 viel Trara um die Mega-Entwicklung. „Warum hat dieses Pokémon eine Mega-Entwicklung bekommen und nicht mein Liebling?“. Weil Nintendo dich persönlich hasst, und nur dich ärgern wollte…. „Warum hat Glurak zwei Megasteine?“. Weil Glurak so beliebt ist, dass sich so mehr Geld aus dem doppelten Merchandise verdienen lässt. Es gab viel Gemurmel, positives wie negatives. Und mit ORAS gab es dann nochmal einen frischen Satz von neuen Mega-Entwicklungen. Es schien wirklich so, als ob Nintendo dieses Feature zu einem festen Installment einrichten wollte. Ich war der Mega-Entwicklung positiv aufgeschlossen, so dass ich es kaum erwarten konnte, welche neuen Mega-Entwicklungen in der 7. Generation auf mich warteten. Und dann kam…. NICHTS. Nicht nur das, nein, die Mega-Entwicklung wurde aus dem Spiel wieder nahezu komplett verbannt. So ist sie erst im Postgame zugänglich und damit für Gelegenheitsspieler nicht erreichbar. Und die Preise für die Megasteine sind nahezu unverschämt. Es wurde also erst ein Feature in einer Generation eingeführt, mit dem Versuch, die Pokémonkämpfe zu revolutionieren, um statt es im nächsten Spiel auszubauen, alles fallen zu lassen und zu ersetzen durch die nervigeren Z-Attacken…
Fazit
Alles in allem waren SM und USUM Spiele, die definitiv gespielt werden müssen. Die meisten Pokémondesigns, die Einführung von Regionalformen und die Graphik sind sehr schön mit Liebe zum Detail, welche eine Platzierung vor SW rechtfertigen. Im Vergleich zu anderen Spielen zeigt das Spiel jedoch aufgrund von Inkonsistenz zum allgemeinen Franchise und der viel zu einfachen Spielweise bis hin zur Idiotensicherheit jedoch Mängel, die eine höhere Platzierung nicht rechtfertigen. Ich möchte jedoch erwähnen, dass diese Platzierung relativ zu den anderen Spielen ist, die einfach besser sind. In keinster Weise bedeutet dies, das SM und USUM nicht spielwürdig sind. Aber eine 2+, wie es SM und USUM sind, ist nun mal schlechter als eine 1-.
P.S.: An alle die sich aufregen, dass USUM nur ne schlechte Kopie von SM war. Bedenkt einmal die sonstigen Zusatzeditionen. Gelb, Kristall, Smaragd, Platin, sie alle sind nahezu identisch zu ihren Schwestereditionen. Dennoch werden sie nicht so verhasst. Der Fehler liegt hier im Marketing, es wurde so um USUM geworben, dass bei den Gamern der Eindruck entstand, es sind wie bei S2W2 neue Editionen, und damit war die Enttäuschung vorprogrammiert. Da dies aber ein Marketingfehler ist, lasse ich dieses Argument in einem Ranking zu den Gameinhalten nicht zu.

DR. BARTHOLOMEUS KRESSENSTEIN
Präsident der Noris-Liga, wird Euch ab sofort in einer regelmäßigen Kolumne mit seinem analytisch aufbereiteten Fachwissen zur Seite stehen und Euch so einen etwas anderen Einblick in die Welt der Pokémon, in verschiedensten Themenbereichen, gewähren.
Den Anfang macht die Artikelreihe “Dr. Kressensteins Rankings”.